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Ausstellung Digital „Stockach im Umbruch“ (bis 16.03.2019)

Für den Südkurier stellen wir im Sommer 2018 jede Woche ein Ausstellungsstück der Sonderausstellung „Stockach im Umbruch  – Erster Weltkrieg, Revolution und Neubeginn 1917-1923“ vor. Hier dokumentieren wir die einzelnen Beiträge in der ungekürzten Fassung.

28. September 2019 – 1923 explodierten die Preise

Kriege kosten nicht nur viele Menschenleben, sondern auch viel Geld. Im Ersten Weltkrieg reichten die Finanzreserven des deutschen Reichs nur für 2 Kriegstage. Waffen, Munition, Verpflegung, Transport und Soldaten für die restlichen vier Kriegsjahre mussten auf Pump finanziert werden. Um kurzfristig Geld zu erhalten, warb man bei der Bevölkerung, um die Zeichnung von Kriegsanleihen. Langfristig wollte man das Geld von den besiegten Feinden zurückholen.

Die anderen europäischen Länder hatten ähnlich kalkuliert. Als Kriegsverlierer musste das Deutsche Reich große Summen an die siegreichen Länder zahlen, kam mit den sogenannten Reparationen aber bald in Rückstand. Die Franzosen besetzten deshalb Anfang 1923 das Ruhrgebiet. Im Gegenzug rief die deutsche Regierung zu einem Generalstreik auf und erklärte sich bereit, die Löhne der streikenden Arbeiter weiter zu bezahlen. Um die Schulden zu bezahlen, wurde immer mehr neues Geld gedruckt. Ein Teufelskreis begann: Wer Geld druckt, entwertet es auch. Die Preise explodierten Monat für Monat. Ein Laib Brot hatte Anfang 1918 noch 420 Mark gekostet, am 1. September schon 225.000 Mark. Für 500 Gramm Zucker zahlte man am 9. Oktober 200 Millionen, am 29. Oktober sogar 4,7 Milliarden. Die Notleidenden waren insbesondere Leute mit kleinem Einkommen. Wer eigene Landwirtschaft betrieb, konnte sich über den Tauschhandel einigermaßen versorgen.

Bereits ab August 1923 hatte die Stockacher Firma Fahr ein eigenes Notgeld gedruckt. Die Stadt Stockach druckte wie viele andere Städte ab November ein eigenes Notgeld. Die Scheine zu 5, 10 und 20 Milliarden Mark zeigten Motive aus dem Stadtbild, etwa Goethestraße und Kirchhalde. Weil ein Ende der Inflation nicht in Sicht war, wurde im November 1923 schließlich eine neue Währung geschaffen. Die Rentenmark ersetzte die Reichsmark. Alle Ersparnisse der Bevölkerung waren vernichtet, auch die Kriegsanleihen wurden nicht mehr zurückgezahlt. Die Zeche des Krieges hatten die Bevölkerung bezahlt.

19. September 2019 – Als es mit der Schule aufwärts ging

1901 wurde in Stockach das neue Schulgebäude (heutige Grundschule) eingeweiht. Damit war nun genug Platz neben der für alle verpflichtenden Volksschule eine zweite Schule einzurichten: Auf der Bürgerschule wurden die Schüler in deutlich kleineren Klassen auf Realschulniveau unterrichtet. Zum Unterrichtsstoff gehörten anders als auf der Volksschule auch Fremdsprachen. Französisch war für alle verpflichtend, wahlweise konnte zusätzlich Latein gewählt werden. Nach der 8. Klasse konnten die Schüler und Schülerinnen nach Radolfzell wechseln und dort die Mittlere Reife erlangen.

Der Großteil der Stockacher Kinder (ca. 300 bis 400) besuchten in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg die Volksschule. Nur 40-60 Schüler vorwiegend aus dem Bürgertum gingen in die Bürgerschule. Trotz insgesamt rückläufiger Schülerzahlen, waren 1910 erstmals ein Viertel der Kinder auf der Bürgerschule Mädchen. Während des Ersten Weltkrieges erfasste die Kriegsbegeisterung auch die Schulen: 1916 zogen die Schülerinnen und Schüler nach einem Deutschen Sieg „mit frohem deutschen Lied zum Kriegerdenkmal […], wo Ansprachen der Herren Lehrer das Ereignis würdigten“ (Stockacher Tagblatt).

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs sendeten immer mehr Eltern ihre Kinder auf die Bürgerschule. Die Schülerzahlen hatten sich 1920 auf 82 Schüler erhöht, darunter fast 40 % Mädchen. Wer die im Stadtmuseum gezeigten Bilder genau anschaut, bekommt auch einen Einblick in die Mode von vor 100 Jahren. Gerade in der Kleidung spiegelt sich aber auch die soziale Herkunft. Während auf der Volksschule viele Schüler einfach gekleidet sind, sind die Schülerinnen und Schüler der Bürgerschule aufwendig herausgeputzt. Wer die einzelnen Schüler sind, wissen wir leider nur selten. Vielleicht erkennen aber manche Stockacherinnen und Stockacher die Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern?

6. September 2018 – 1919: Als Arbeiter auf die Barrikaden gingen

Zuerst erschienen im Südkurier vom 6. September 2018

„staatsanwaltschaft konstanz um energisches vorgehen gegen raedelsfuehrer in stockach ersuchen“, telegraphierte der badische Innenminister Remmele am 13. Juni 1919 nach Konstanz. Am selben Tag hatten ihm dortige Beamte über Unruhen in Stockach berichtet: 270 Arbeiter und Arbeiterinnen waren mit einer roten Fahne vor das Rathaus gezogen und hatten die Absetzung von Bezirksoberamtmann Pfaff gefordert. Ihm wurde vorgeworfen, „kleine Leute“, die schwarz Eier und Butter in die Stadt schmuggelten, hart zu bestrafen. Gegenüber einem korrupten Beamten sei er hingegen untätig geblieben. Der Unmut erklärt sich durch die finanzielle Lage der Arbeiterschaft. In der Stockacher Eisengießerei Fahr herrschte seit Kriegsende Kurzarbeit. Die um ein Drittel gekürzten Löhne reichten kaum aus, um die hohen Lebensmittelpreise zu bezahlen.

Eine Akte des Staatsarchivs Freiburg dokumentiert das kompromisslose Vorgehen des Innenministeriums: Es setzte Oberamtmann Pfaff wieder in den Dienst ein und ließ am nächsten Tag in Stockach überall warnende Plakate anbringen. Zwar wollte die Regierung die Vorwürfe prüfen, kündigte aber zugleich an, gegen die Urheber der Gewalttätigkeit vorzugehen. Die Unsicherheit blieb groß: „Gerücht über Bewaffnung. Lage ernst“ telegraphierte Pfaff am gleichen Tag nach Konstanz. Von dort wurde Militär nach Stockach gesendet, weshalb die Arbeiter schließlich auf ihre Forderung nach der Absetzung Pfaffs verzichteten.

Als Vorsorge gegen weitere Unruhen ließ das Ministerium eine Bürgermiliz gründen, über 300 Stockacher unter Führung des Oberförsters Fischer angehörten. Wohl um der Arbeiterschaft etwas entgegenzukommen, wurde Oberamtmann Pfaff am 1. Oktober nach 10 Jahren von seinem Posten abgelöst. Die Lebensmittelpreise aber blieben hoch. Als im Juli 1920 die Arbeitszeit bei Fahr auf 50 % zurückgefahren wurde, kam es zu erneuten Unruhen: Die Arbeiter zogen in die Oberstadt und plünderten die dortigen Geschäfte. Wer darüber mehr wissen will sei auf die Ausstellung im Stadtmuseum verwiesen.

30. August 2018 – Als die Soldaten nach Hause kamen

Am 11. November 1918 unterzeichnete Staatssekretär Matthias Erzberger in einem Eisenbahnwagon unweit der französischen Stadt Compiègne das Waffenstillstandsabkommen mit den ehemaligen Kriegsgegnern. Der Vertrag sah den Rückzug aller deutschen Truppen aus den besetzten Gebieten in Frankreich, Belgien und Luxemburg vor.

Die bevorstehende Heimkehr der Soldaten löste in Stockach aber nicht nur Freude, sondern auch Ängste aus. Am 15. November 1918 trat der Arbeiter- und Soldatenrat Befürchtungen entgegen, dass „eine Überflutung und Bedrohung des Bezirks durch von der Front in regelloser Ordnung heimkehrende Truppen eintreten würde“. Es sei sogar In einigen Gemeinden schon mit der Abschlachtung und Verstecken von Vieh begonnen worden. Man befürchtete – so beklagt dies ein heimkehrender Soldat in einem Leserbrief – dass „die Soldaten in Horden und Baden raubend und plündernd einfallen würden.“

In den nächsten Wochen kamen die Soldaten über Baden-Baden zurück an den See. Weil Stockach Sitz des Bezirkskommandos war, mussten alle Soldaten der Region hier ihre Entlassungspapiere erhalten. Die Stadt richtete „Massenquartiere“ ein, aber auch bei Privatpersonen wurden heimkehrende Soldaten untergebracht. In der Hauptstraße wurde notdürftig Essen ausgegeben. Soldatenrat und das Bezirkskommando zogen die übrigen Kriegswaffen ein und entließen die Soldaten nach einer ärztlichen Untersuchung in ihre Familien.

Trotz aller organisatorischen Herausforderungen überwog die Freude. Die Stadt war festlich geschmückt und bei den Stockacher Druckereien konnte man Willkommensplakate erstehen. Zum Herbstjahrmarkt am 22. November versammelte sich „ein buntes Gemisch von Bauersleuten, Städtern, Soldaten aller Waffengattungen, Franzosen und Russen“ in Stockach: „Eine internationale Gesellschaft wie wir sie noch nie und vielleicht nimmer in Stockachs Mauern gesehen haben“, kommentiert das Stockacher Tagblatt. Als sich die Lage etwas beruhigt hatte, veranstaltete die Stadt am 9. Februar 1919 eine Begrüßungsfeier in der Adler-Post. Stadtmusik und Männerchor umrahmten das Programm. In seiner Festrede stellte Kreisschulrat Dr. Ebner fest, dass Deutschland 1914 ein „blühendes Land“ gewesen sei, heute aber „eine Ruine, arm und verlassen von aller Welt“. Doch wenn man „Willen zur Tat“ und Nächstenliebe zeige und den Eigennutz zurückstelle, könne man gemeinsam ein „neues Deutschland“ aufbauen.

Ganz so einfach war es nicht: Die Wirtschaft lag am Boden, die Ernährung blieb schwierig und politisch herrschte Uneinigkeit: Während viele Revolution und Waffenstillstand begrüßten, sahen andere darin einen Verrat an den „im Felde unbesiegten Soldaten“ – die sogenannte Dolchstoßlegende, mit der die Oberste Heeresleitung demokratischen Kräften die Schuld an der Niederlage zuzuschieben versuchte. Später machten auch die Nationalsozialisten sie sich zunutze.

24. August 2018 – Wie vor 100 Jahren in Stockach Zeitung gemacht wurde

Zuerst erschienen im Südkurier vom 24. August 2018

Vor 100 Jahren buhlten in Stockach zwei Zeitungen um die Gunst der Leserinnen und Leser. Das nationalliberal gesinnte Stockacher Tagblatt wurde vom Stockacher Verleger Karl Willi gedruckt. Es war die Nachfolgezeitung des seit 1861 bestehenden Nellenburger Boten. Der von Julius Beschle verlegte Stockacher Anzeiger stand der katholischen Zentrumspartei nahe. Die Zeitungslandschaft spiegelt die politische Situation in der Stadt wieder: Traditionell waren die Liberalen in Stockach die stärkste Partei und stellten mit Carl Walcker von 1895-1922 den Bürgermeister. Erbitterte und polemische Debatten führten sie mit dem katholischen Zentrum, das aus den Wahlen 1919 erstmals knapp als Sieger hervorging.

Beide Zeitungen sind eine herausragende Quelle für die Revolution von 1918, denn Revolutionäre führen keine Akten! So verkündete der Stockacher Anzeiger am 13. November die Gründung des Arbeiter- und Soldatenrats Stockach. Einen oder zwei Tage zuvor waren knapp 300 Menschen von der Firma Fahr mit einer roten Fahne in die Oberstadt gezogen. Dort wurde in mehreren Reden die Republik als neue Staatsform erklärt und schließlich der Arbeiter- und Soldatenrat gegründet. Zwischendurch spielte die Stadtkapelle.

Anders als in vielen anderen Städten war der Stockacher Arbeiter- und Soldatenrat gemäßigt. Er trat für die Aufrechterhaltung der Ordnung ein und teilte entsprechende Maßnahmen über die Zeitungen mit. Er überwachte die Heimkehr der Soldaten, wirkte an der Kontrolle von Lebensmittelverteilung mit und organisierte politische Veranstaltungen. Die Sympathien für die Revolution gingen deshalb in Stockach weit über die Arbeiterschaft hinaus. Der Arbeiter- Soldaten- und Bauernrat hatte zahlreiche bürgerliche Mitglieder, im November 1919 sollte sogar ein eigener Bürgerrat gegründet werden und beide Zeitungen berichteten durchaus positiv über die Aktivitäten des Rats. In der Ausstellung im Stadtmuseum wird die Druckplatte des Stockacher Tagblatts gezeigt und man kann in der Zeitung von vor 100 Jahren schmökern.

16. August 2018 – Als der Hunger die Heimatfront erreichte

Zuerst erschienen im Südkurier vom 16. August 2018.

1916 und 1917 konnte man mehrfach den Kanonendonner von der mindestens 150 Kilometer entfernten Westfront bis nach Stockach hören. Das Stockacher Tagblatt schrieb von einem „stundenlang die Luft erschütternden höllischen Konzert, das die ganze Furchtbarkeit lebhaft ahnen lässt.“ Abgesehen von einem kleinen Luftangriff war Stockach im ersten Weltkrieg keinen direkten Kriegshandlungen ausgesetzt. Der Krieg aber hatte große Auswirkungen auf das Leben in der Stadt.

Weil die Versorgung der Soldaten Priorität hatte, wurde bald nach Kriegsbeginn die Lebensmittelversorgung eingeschränkt. Bereits im Februar 1915 wurde es verboten, Kuchen und Brezeln zu backen. Weißmehl wurde streng rationiert oder wie es General Hindenburg formulierte: „Ein Patriot isst Roggenbrot!“ Im Lauf des Krieges wurden dann immer mehr Lebensmittel begrenzt: Ende 1915 wurden fleischfreie Tage eingeführt. Ab 1916 wurden Eier, Milch, Zucker, Butter, Fett und Kartoffeln nur noch gegen Lebensmittelkarten abgegeben, 1917 auch Nudeln, Grieß und Gemüse. Schokolade, Kaffee und Kakao waren schon lange nicht mehr erhältlich.

Seit dem „Steckrübenwinter“ 1916/17 nagte die deutsche Bevölkerung am Hungertuch. Als 1918 die Rationen weiter verkleinert wurden, begann für viele Stockacher ein Kampf ums Überleben. Nur noch 600 Gramm Fleisch erhielt man pro Person und Monat. Bucheckern und andere im Wald gesammelte Früchte sollten zumindest etwas Eiweiß und Fett liefern. Die Stadt versuchte durch Schulspeisungen hungrige Kinder zu versorgen. Europaweit starben ca. 25 bis 50 Millionen der entkräfteten Bevölkerung an dem neuartigen Virus der „Spanischen Grippe“. Auch in Stockach und Umgebung wurden ganze Familien ausgelöscht.

Es ist deshalb kein Wunder, dass auch in Stockach die Begeisterung für die Kämpfe immer weiter nachließ. Wurden 1914 und 1915 deutsche Siege noch mit spontanen Straßenfesten, Konzerten und Glockenläuten gefeiert, sehnte sich die Bevölkerung ab 1917 nach einem Leben in Frieden mit ausreichend zu essen.

13. August 2018 – Grabenkunst aus dem Ersten Weltkrieg: Souvenirs aus dem Schützengraben

Zuerst erschienen im Südkurier vom 13. August 2018.

Langeweile gehörte zum Alltag der Soldaten während des Ersten Weltkriegs. Kurze grausame Kampfhandlungen wechselten sich mit langem Warten ab. Über Wochen hinweg taten die Soldaten Dienst im Schützengraben und mussten im Jahresverlauf Mordshitze, lange Regengüsse und Eiseskälte ertragen. Hinzu kam die Belastung durch ungeliebte Schädlinge: Ratten waren allgegenwärtig. Sie liefen den Soldaten im Schlaf über den Kopf und knabberten am Brot im Schützengraben und den Laichen im Niemandsland. Auch Läuse waren eine große Plage. Soldaten hatten zum Teil hunderte auf dem Körper und in den Haaren.

Viel Sinnstiftendes gab es in diesem Elend nicht zu tun. Man konnte Briefe an die Lieben in der Heimat schreiben, Ratten jagen oder sich gegenseitig den Kopf lausen. Trost spendeten die Briefe der Angehörigen, die eintreffenden Essensrationen und herumstreunende Haustiere. Viele der Soldaten vertrieben sich die Langeweile durch das Herstellen von sogenannter Grabenkunst. Aus Munitionsteilen wie Granaten, Geschosshülsen und Kartuschen wurden Armreifen, Anhänger, Aschenbecher, Kerzenständer oder Vasen hergestellt. In der Ausstellung werden zwei aus Patronenhülsen gefertigte Vasen gezeigt. Eine wurde von einem unbekannten Soldaten mit großer Mühe verziert und das Abbild einer Blume ins Metall gearbeitet. Aus einem runden Metalldeckel hat ein anderer Soldat präzise Stahlhelme und Werkzeuge herausgehämmert. Ein weicher Kalkstein mit dem Schriftzug „Reims 1917“ erinnert an die heftigen Angriffe der Franzosen auf die deutsche Frontlinie.

Nach dem Krieg brachten viele Soldaten diese Grabenkunst als Souvenir aus dem Krieg mit nach Hause. Aus dem Abfallmaterial des Krieges wurden Erinnerungsstücke, die es den Soldaten ermöglichten, ihre Erlebnisse greifbar zu machen und in manchen Fällen sogar zu verarbeiten. So wurden die Munitionsreste doch noch einem sinnvollen Zweck verwendet.

8. August 2018 – Das Gesicht des Krieges: Wie ein Stockacher Fotograf an der Westfront den Ersten Weltkrieg sah

Zuerst erschienen im Südkurier vom 8. August 2018

Eine kleine Kamera war der ständige Begleiter des Stockacher Fotografen Gustav Hotz während seines Militärdiensts im Ersten Weltkrieg. In über 300 Bildern dokumentierte er Leben und Alltag an der Westfront: Zerstörte Kirchen und verwüstete Landschaften sind auf seinen Bildern ebenso zu entdecken, wie Schnappschüsse aus dem Schützengraben und der Alltag hinter der Front.

Ein beeindruckendes und zugleich beklemmendes Bild zeigt eine Gruppe von Soldaten mit Gasmasken. Wohl in Vorbereitung eines Angriffs probierten sie ihre Gasmasken an. Obwohl die Haager Landkriegsordnung den Einsatz von chemischen Waffen verbot, setzte die deutsche Armee seit April 1915 Chlorgasgemische gegen ihre „Feinde“ ein. Ein Zeitzeuge dieses ersten Gasangriffs war der Stockacher Bauunternehmer Josef Wagner. Jahrzehnte später erinnerte er sich gegenüber Hartmut Rathke mit Schrecken an den grausamen Angriff nahe der belgischen Stadt Ypern: „Wenn damals der Wind umgeschlagen hätte, hätten wir auf eigener Seite schwere Verluste gehabt. Wer einen vollen Atemzug von dem Gift erwischt hat, der war verloren! Es hat so ätzend gewirkt, der musste husten, so furchtbar, dass ihm die Lunge gerissen ist. Die Franzosen in der ersten Linie waren fast alle tot. Die wussten nicht, was auf sie zukam […]. Sie sahen aus wie umgefallen […]. Dutzende lagen da, an manchen Streckenabschnitten auch Hunderte.“

Trotz dieser grausamen Kriegsführung bewegte sich die Westfront kaum, doch Millionen Soldaten starben in den Schützengräben: Auch Gustav Hotz sollte wie fast 300 Soldaten aus Stockach und den Ortsteilen den Krieg nicht überleben. Er fiel am 7. Juli 1916 bei Thiepval (Frankreich). Seine Familie bekam später seine Habseligkeiten zugeschickt, darunter Kamera und Filme, aber auch Essgeschirr, Stoffeinnäher für die Kleidung und ein kleines Döschen mit Tee und Süßstoff. Diese Überbleibsel werden zusammen mit den Bildern derzeit im Stadtmuseum gezeigt und geben einen beindruckenden Einblick in das Leben eines Stockacher Soldaten im Ersten Weltkrieg.